Ist eine Pauschalreise derart mit Reisemängeln behaftet, dass eine Erholung im Urlaub kaum möglich ist und die Urlaubszeit eher als Tortur denn als Genuss erlebt wird, kann nach § 651n Absatz 2 BGB wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit vom Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Ein deratiger Schadensersatz wird von den Veranstaltern meist nur äußerst ungerne gezahlt. Daher wird nicht selten vor Gericht gestritten, ob eine Reise derart beeinträchtigt war, dass über die reine Minderung des Reisepreises hinaus eine weitere finanzielle Kompensation angemessen ist.
Nach dem Bundesgerichtshof ist ein solcher Anspruch dann gegeben, wenn die Reisemängel eine mindestens 50%ige Reisepreisminderung rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2013, Az. X ZR 15/11). Bezüglich der Höhe des Schadensersatzanspruches ist es grundsätzlich angemessen, für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, so dass der gezahlte Reisepreis noch einmal als Entschädigung verlangt werden kann.
Der BGH hat zudem jüngst klargestellt, dass ein Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nicht voraussetzt, dass die komplette Reise zu mindestens 50% beeinträchtigt ist. Es ist ausreichend, wenn einzelne Urlaubstage erheblich beeinträchtigt waren (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2017, Az. X ZR 111/16). Für jeden erheblich beeinträchtigten Urlaubstag ist demnach ein Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit begründet.
Veranstalter argumentieren daher unter Bezugnahme auf den Bundesgerichtshof meist, dass ein Schadenseratz nur dann in Betracht kommt, wenn eine Reisepreisminderung von zumindest 50% vorliegt.
Das Landgericht Hannover urteilte nun, dass im Einzelfall ein Schadensersatz auch dann vom Reiseveranstalter zu zahlen ist, wenn die vorhadenen Mängel eine Minderung von weniger als 50% rechtfertigen, die Umstände der Reise jedoch eine Erholung nicht bzw. nur kaum zuließen. Im konkreten Fall buchte ein Paar eine Reise auf eine kleine Malediveninsel. Vor Ort angekommen, mussten die Reisenden feststellen, dass ein Großteil der Insel wegen umfangreicher Bauarbeiten gesperrt war. Aufgrund der Arbeiten war das Paar tagsüber nahezu permanent Lärm ausgesetzt. Hinzu kam, dass sich auch der bewohnte Bungalow in einem schlechten Zustand befand.
Für die vorhandenen Mängel sprach das Gericht den Reisenden eine Minderung des Reisepreises von insgesamt 40% zu. Einen Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit hielt das Gericht dennoch für angemessen. Seine Auffassung begründet das Gericht wie folgt:
[…]Daneben steht den Klägern gegen die Beklagte jeweils ein Schadensersatzanspruch wegen vertaner Urlaubszeit gem. § 651f Abs. 2 BGB in Höhe von 1.654,80 € zu.
Eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise, die Voraussetzung des Anspruches aus § 651f Abs. 2 BGB ist (Sprau in Palandt, § 651f, Rn.6), liegt hier vor. Der Maßstab für die Bewertung der Erheblichkeit ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (Staudinger in Staudinger, §651f, Rn.73). Dabei sind die Reiseart, der -zweck, der -preis, das Urlaubsgebiet und die Art und der Umfang der Reisemängel des Urlaubs zu werten und daran zu beurteilen, ob der Urlaub ganz oder teilweise vertan erscheint (BGH, Urt. v. 14.5.2013, X ZR 15/11; BGH, Urt. v. 17.4.2012, X ZR 76/11; OLG Celle, Urt. v. 20.04.2004, 11 U 251/03; LG Frankfurt Urt. v. 20.3.2014, 2/24 O 225/13; LG Hannover, Beschl. v. 23.3.2012, 10 S 4/12).
Die Kläger buchten für sich einen Urlaub auf einer Hotelinsel in den Malediven zu einem Reisepreis von über € 4000 pro Person. Wenn der Aufenthalt auf eine kleine Hotelinsel beschränkt ist, ist ein relativ hoher Standard zu knüpfen was Komfort anbelangt (AG Hanau, Urt. v. 21.01.1997 – 32 C 2666/96; LG Frankfurt Urt. v. 21.02.2011 – 2-24 O 66/10). Gerade daran hat es weitestgehend gefehlt. Nicht nur der persönliche Rückzugsort der Kläger war angesichts der massiven Lärmbelästigung durch die naheliegende Werkstatt und auf Grund des miserablen Zustandes von Bad und Bungalow mangelhaft, auch die Hotelanlage als solche war nicht ohne Abzüge zu nutzen. Ein Drittel der Insel war bis zwei Tage vor Abreise der Kläger für sie nicht zu nutzen. Wie stark der emittierte Baulärm war, ist sehr von subjektiven Empfindungen geprägt. Allerdings ist festzustellen, dass man auf einer kleinen Hotelinsel vor Lärm nicht „flüchten“ kann (LG Frankfurt Urt. v. 07.04.2016 – 2-24 O 51/15; LG Duisburg Urt. v. 27.03.2008 – 12 S 70/17; LG Hannover Urt. v. 08.02.1989 – 1 S 244/88). Das Ziel der gebuchten Reise, druch lange Spaziergänge oder entspanntes Liegen am Strand Erholung zu erfahren, konnte auf Grund der permanenten Lärmimmissionen, die auf der Insel allgegenwärtig waren, nicht ereicht werden. Auch das beworbene fischreiche Schnorchel- und Tachrevier konnte statt um die gesamte Insel herum lediglich von zwei einwandfrei nutzbaren Einstiegen aus erkundet werden. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände in der vorzunehmenden Gesamtschau ist die Reise als erheblich beeinträchtigt i.S.v. § 651f. Abs. BGB anzusehen. Ein Schadensersatzanspruch in Höhe von jeweils 40 % in Bezug auf den Reisepreis pro Person scheint angemessen.[…]
LG Hannover, Urteil vom 16.08.2018, Az. 8 O 127/16